Das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu – Zeit für den alljährlichen Rückblick:
Wahrscheinlich überrascht es euch jetzt nicht – dieses Jahr wurde viel gebaut! Ja, wir haben die letzten fünf Jahre gebaut, aber dieses Jahr war von „Großbaustellen“ geprägt wie kein anderes. Über Monate lief die Baustelle jeden Tag von 9 bis 17 Uhr, manchmal später und manchmal länger. Aber der Reihe nach… Seit Januar stand an der Rückseite unseres Hauses ein Gerüst. Praktischerweise im Winter auch als Kühlschrank nutzbar, konnten wir es aber lange noch nicht richtig nutzen, weil uns die kalten Temperaturen einen Strich durch die Rechnung machten.
Um die verschiedenen Baustellen stemmen zu können, hatten wir uns bereits Ende 2017 in verschiedene Bau-Crews aufgeteilt. So gab es Dachboden-, Fenster- und Dämm-Crews. Der Dachboden läutete die Baustellenphase ein. Wir haben fleißig weiter gedämmt und verschalt, die Fußpfette zur Außenseite ersetzt und im Zuge dessen einen neuen Dachkasten gebaut. Hilfe erhielten wir dabei von zwei Wandergesell*innen, die mehrere Wochen mit uns lebten und arbeiteten und die wir schnell ins Herz geschlossen hatten. Im Zuge der Dachbodenbaustelle haben wir auch das obere Treppenhaus gedämmt und ein Rauchabzugsfenster eingesetzt.
Als es die Temperaturen endlich zuließen, ging es an die Fassade. Als erstes mussten wir allerdings alle Fensterbretter der Rückfassade abschlagen, um eine gerade Fläche für die Dämmung zu bekommen. Außerdem mussten wir alle kleinen Kammerfenster zumauern (ehemalige Toilettenkammern auf halber Treppe), da wir beschlossen hatten, diese Fenster nicht zu ersetzen. Alle anderen Fenster auf der Rückseite haben wir durch viele neue, manche gebrauchte und teilweise bunte Holzfenster ersetzt, die uns sehr glücklich stimmen. In vielen Räumen haben wir herkömmliche durch bodentiefe Fenster ersetzt, um vielleicht irgendwann in ferner Zukunft Balkone anbauen zu können. Bis dahin haben wir diese durch mehr oder weniger schöne Absturzsicherungen geschützt.
Bei der Dämmung haben wir uns für ein Wärmedämmverbundsystem entschieden, welches aus einer Grundierung, Kleber, Dämmplatten, Unter- und Oberputz sowie einem Farbanstrich besteht.
Sowohl die Fenster- als auch die Dämmungsbaustelle bestand aus vielen einzelnen Arbeitsschritten. Bereits im Vorfeld haben wir sehr viel Zeit und Energie in Recherche, Angebote und Bestellungen sowie Planung gesteckt. Natürlich haben wir versucht, so viele Dinge wie möglich vorher zu bedenken, aber wir sind einfach keine Profis und haben alles in Eigenleistung bewerkstelligt. Daher kam es immer mal wieder zu Situationen, die wir belächeln konnten, da sie einfach besser hätten geplant werden können, manchmal auch zu Frust, weil eigener Pfusch beseitigt werden musste – aber im Großen und Ganzen waren wir selber beeindruckt und erstaunt, wie gut wir alles hinbekommen haben.
Das erste halbe Jahr bestand also ausschließlich aus Baustelle, was anstrengend war und Menschen ausgebrannt hat. Es konnte beobachtet werden, wie am Ende mit jedem weiteren Tag die Motivation und Laune sank. Aber es ist auch krass, was wir als Gruppe rocken können, wenn alle zusammenhalten! Und es gab sehr viele schöne Effekte und Momente durch die Baustelle: Das Gerüst wurde zum Beispiel zu unserem Balkon, was nicht nur die Katzen freute. Jeden Tag fanden sich Menschen, die für alle zum Mittag eine warme Mahlzeit auf den Tisch zauberten, und so zelebrierten wir in großer Runde die Mittagspause. Es gab die ein oder andere wirklich gute Playlist und fast immer erfrischende Baustellen-Motivations-Limo. Am Abend belohnten wir uns des Öfteren mit einem Feierabendbier, was sich immer häufiger auf den Gehweg der Eisenbahnstraße verlagerte, da unser Hinterhof einer Mischung aus Schutthalde und Baustoffhandel glich. Liebevoll „Hannes' Bar“ genannt, wurde fast täglich ein Stuhl nach dem anderen vor die Haustür gestellt und die letzten Sonnenstrahlen genossen.
Aufgrund dieser intensiven Zeit ist es nicht verwunderlich, dass für andere Projekte kaum Zeit blieb. Der Garten wurde trotzdem gepflegt und erfreute uns mit seinem Ertrag, allerdings mehr auf Sparflamme als die letzten Jahre und mit Sicherheit durch weniger Arbeitsleistung. Zum Glück gibt es immer einzelne Personen, denen der Garten wirklich am Herzen liegt und die viel Schweiß und Liebe hineinstecken.
Neben der ganzen Arbeit gab es immer mal wieder kleinere Veranstaltungen, deren Spendeneinnahmen uns ein wenig unterstützen konnten und die uns als Gruppe schöne Ausgleichsmomente schafften. Wir durften zwei Mal auf dem Wagenplatz Rhizomia zu Gast sein und dort Essen für Alle anbieten. Dazu gab es Musik, Tanz und Feuertonne. Außerdem wurde die Partyreihe Ramba Zamba dieses Jahr eröffnet. Die erste Party feierten wir auf dem Wagenplatz Karl Helga mit Bands und Drum-and-Bass-DJ. Die zweite Ramba Zamba nutzten wir, um unseren wiedergewonnenen Hinterhof zu feiern. Nach Kaffee und Kuchen für die Nachbar*innen lauschten wir in gemütlicher Atmosphäre nach all dem Baulärm mal wieder wunderschönen Klängen, um danach in das benachbarte Ladenprojekt Erythrosin umzuziehen und dort an der Sektbar die Korken knallen zu lassen. Im Oktober gab es dann auch die erste Küche für Alle, die wieder bei uns im Hinterhof stattfand. Falls ihr unsere legendären Veranstaltungen und unseren guten Musikgeschmack nicht verpassen wollt, schaut doch mal hier vorbei: https://schlichtergreifend.org/blog
Wir hoffen, im kommenden Jahr dann auch wieder mehr umsetzen zu können. Wir planen auf jeden Fall eine große Baustellen-Abschluss-Sause, auf die ihr alle herzlich eingeladen seid!
Hinter den Kulissen laufen auf jeden Fall immer Projekte. Die Plenumspunkte sammeln sich auf einer unendlichen Liste und nehmen kein Ende. Auf unseren Hauswochenenden in diesem Jahr haben wir uns deshalb bewusst auf emotionalere gruppendynamische Themen konzentriert. Im Sommer haben wir angefangen unser Selbstverständnis, das inzwischen vor über vier Jahren entstand, zu überarbeiten und uns darüber auszutauschen, wie wir zusammenleben möchten. Dabei haben wir auch über Konflikte und den Umgang damit gesprochen. Im Winter ging es dann an die Reflexion der Baustellen und AG-Struktur sowie die Zukunftsplanung nach den Großbaustellen.
Auch im Stadtteil ist in diesem Jahr viel passiert. Seit diesem November grenzt unser Haus an die neue sogenannte „Waffenverbotszone" rund um die Eisenbahnstraße. Wir haben uns am Widerstand gegen die Einrichtung dieser Zone beteiligt, denn wir halten diese für „eine Provokation und eine Kriminalisierung gegenüber einem ganzen Stadtteil.“ Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung ist es für uns umso wichtiger, uns für einen solidarischen Stadtteil einzusetzen.
Einen ausführlichen Beitrag von uns sowie lesenswertes Hintergrundwissen findet ihr hier: https://copwatchleipzig.home.blog
Außerdem gibt es gerade wieder einige Aus-, Um- und Einzüge im Hause Schlicht & Ergreifend. Das wird wahrscheinlich immer so bleiben, trotzdem ist es ein zeitintensiver Prozess, neue Mitbewohner*innen für unser Projekt zu finden. Nach und nach werden es immer weniger Menschen der „1. Generation“, was manchmal nostalgisch macht, aber auch immer wieder eine Chance für lebendigen frischen Wind im Haus ist.
Durch die Auszüge, aber auch durch befristete Verträge müssen wir bis Frühjahr nächsten Jahres so einige Direktkredite umschulden. Mit anderen Worten: Wir brauchen dringend Geld!
Wir sind sehr dankbar für euer Vertrauen und freuen uns, dass ihr uns unterstützt! Wenn ihr euren Vertrag verlängern wollt, gerade Geld geschenkt bekommen habt und nicht wisst, was ihr damit anfangen sollt, Menschen kennt, die eine Gehaltserhöhung erhalten haben oder viel zu viel Weihnachtsgeld – bei uns könnt ihr Geld in vertrauensvollen und sympathischen Händen sehr gern zwischenparken! :)